Problemanalyse im Falle des „Spielercharakters“:

Die klassischen Spielercharaktere sind alle jene Figuren, die von den Teilnehmern mitgebracht und in der Regel auf verschiedenen Veranstaltungen weitergespielt werden. Egal ob dies langjährig bespielte Charaktere sind oder ob sie das erste Mal ins Feld geführt werden, so sollte ja normalerweise ein liebevoll ausgedachtes Charakterkonzept sowie auch eine umfassende Ausrüstung für die Figur existieren. In der Regel ist es also nicht schön, wenn dieser Charakter einfach mal so das Zeitliche segnet, weswegen das bei aller Diskussion um Charaktersterblichkeit auf gefährlichen Cons, die Opferregel oder andere Konzepte zumindest wohlüberlegt und bedacht sein muss. Wir möchten daher ein paar Perspektiven aufzeigen, die bedacht werden sollten:

  • Das Töten des Spielercharakters widerspricht Regeln der Spielwelt: Was auch immer der Charakter angestellt hat, in den wenigsten Fällen erlaubt die Spielwelt, ihn einfach mal so zu erschlagen, auch nicht innerhalb eines Duellkampfes. Selbst bei Verbrechen bräuchte man ein offizielles Gericht, ein Gildentribunal oder ein ähnliches Gremium. In der Regel ist das nicht verfügbar, also wie geht man damit um?
  • Der Tod wäre die logische Konsequenz: Der Spielercharakter hat etwas getan, auf das eigentlich nur der Tod folgen kann, zumindest ist es nicht mehr gangbar, dass die Figur weiterhin ungehindert am Spiel teilnehmen kann. Also wie kann man die Situation so beenden, dass sie für alle Beteiligten tragbar ist?
  • Der Charakter hat echt etwas „Dummes“ gemacht: Sich mit 47 Orks anzulegen, alleine ins Lager des Feindes zu schleichen, sich dem dicken Dämon zu stellen, der eigentlich nur von der Plotwaffe besiegt werden kann, oder aus Versehen aus dem vergifteten Becher zu trinken. Manchmal passieren einfach Dinge, die ein Teil der Leute einfach als so dumm ansehen, dass der Charakter eigentlich draufgehen sollte. Allerdings muss man sich hier dann die Frage stellen, ob eine andere Lösung nicht für mehr Spiel sorgt. Wäre es denkbar, dass der Spieler hinter dem Charakter absichtlich einen Fehler gemacht hat? Mut zum Fehler Und: Aus dem Blickwinkel des Wissenden sehen die Fallen immer offensichtlich aus. Aus der Perspektive des Hineintappenden oft ganz anders.
  • Die Opferregel steht im Weg: Eigentlich wäre der Charakter schon längst gestorben, zumindest wurde er drölfzigmal erschlagen und alleine blutend im Wald liegen gelassen, während niemand da war, um ihn zu retten. Aber trotzdem springt er quietschfidel wieder durch die Landschaft. Inzwischen nervt es die Kampfgegner ziemlich, weil da jemand hart schummelt. Der Tod ist hier nicht die Lösung, sondern in solchen Fällen muss die Spielleitung ran und den Teilnehmer mal zur Seite nehmen. Metagaming ist nicht die Lösung für jedes Problem!
  • Der Tod wäre maximal unepisch: Stell dir mal vor, du hast einen Charakter über viele Jahre gespielt, und dann verblutet er einfach, weil keiner mitbekommen hat, dass er in einem Kampf fair zu Boden gegangen ist und jetzt abseits der anderen im Wald liegt. Genauso wie jeder Kampfgegner oder ein Plotcharakter hat auch ein Spielercharakter einen schönen und epischen Tod verdient. Also müssen wir gelegentlich auch mal trotz Regeln fünf gerade sein lassen und in solchen Fällen das Ruder noch mal rum reißen.

 

Lösungsvorschläge bei „Spielercharakteren“:

Der Tod des Spielercharakters wäre die logische Konsequenz, zumindest muss er irgendwie aus dem Spiel raus oder es muss irgendetwas passieren. Wir haben mal ein paar Lösungsideen zusammengetragen:

  • Der epische Heldentod: Manchmal passt es einfach super und es entsteht auf Con eine Szene, die für einen Spieler der perfekte, epische Heldentod seines Charakters ist. Und wenn er damit glücklich ist und es gar nicht anders haben will, dann kann man ihm das gerne gönnen und sogar noch unterstützen. Solche Szenen kann man selten planen, normalerweise merkt man aber einfach, wenn es gut passt. Ein guter Anhaltspunkt für die Entscheidung für den eigenen Heldentod ist, wenn in der Situation der Tod cooler ist als das Überleben.
  • Ab ins Gefängnis: Wie auch bei Plotcharakteren kann die Exitstrategie für einen Spielercharakter sein, dass er temporär oder gar bis zum Ende des Liverollenspiels von Springer-Charakteren weggebracht und eingesperrt wird. So kann im Nachgang in Ruhe mit der Orga darüber gesprochen werden, welche Konsequenzen das noch für das weitere Spiel des Charakters hat.
  • Schwer verletzt und nicht mehr zu gebrauchen: Als Alternative zum Tod in einem Kampf kann der Charakter auch von einem solchen so stark verletzt sein, dass mit einer Genesung während des Cons nicht mehr zu rechnen ist. Der Charakter wird dann auch in einem Halb-OT-Bereich, ähnlich wie dem Gefängniskonstrukt, darniederliegen und ist - nachdem er sein Verwundetenspiel beendet hat - aus dem Spiel. Das ist vor allem dann als Lösung gut geeignet, wenn es aufgrund des vorherigen IT- oder OT-Verhaltens für die restlichen Mitspieler nicht mehr passend wäre, dass der Charakter ins Spiel zurückkehrt.
  • Auf der Flucht: Wenn ein Charakter im Spiel Dinge getan hat, auf die die Mitspieler unbedingt reagieren müssen, wie z. B. schwere Verbrechen, Verrat oder etwas Ähnliches, bei dem es nicht mit einem verbalen Konflikt getan ist, dann kann es auch denkbar sein, mit dem Charakter zu fliehen und dann nicht wieder ins Spiel zurückzukehren. Bei dieser Methode ist es auch sehr schön, wenn im Spiel bereits entsprechende Signale gesetzt werden, wie, „Also wir klären das jetzt noch mit den Wachen, du bleibst so lange hier, dann wirst du dich verantworten müssen.“ Auch in der temporären Gefangenschaft, am besten voll bespielt, kann der Spielercharakter noch eine Flucht durchziehen, ggf. mithilfe von anderen Charakteren. Dabei gilt es zu bedenken, dass eine Flucht nicht daraus bestehen sollte, sich die (aus spieltechnischen Gründen lose angelegten) Fesseln abzustreifen, die nicht versperrte Gefängnistür zu öffnen und wegzurennen. Auch eine Flucht sollte Spiel bieten und spannend sein. Eine schlecht gemachte Flucht erzeugt oft einen sehr schalen Beigeschmack.
  • Bestrafen und Verjagen: Ähnlich wie bei Plotcharakteren oder Kampfgegnern kann die Lösung für einen Spielercharakter auch sein, dass er für seine Verbrechen abgeurteilt und dann verbannt oder verjagt wird. So kommt er auch ohne Charaktertod aus dem Spiel, Konsequenzen wurden aber trotzdem bespielt. Und wenn man sich mal wieder trifft, dann ist die Geschichte womöglich noch nicht ausgestanden, bietet möglicherweise aber einen neuen Blickwinkel.
  • Vertagung der Konfliktlösung auf Samstagnacht: Einen SC am Freitag nach nur wenigen Stunden Spiel bereits aus jenem zu nehmen, kann zu Unmut führen. In manchen Situationen kann z. B. eine Verhandlung/Verurteilung hinausgezögert werden. Bedrohungslagen, die ein gemeinsames Vorgehen erfordern oder es nicht erlauben, dass Kräfte zur Bewachung abgestellt werden, eignen sich vorzüglich zur Rechtfertigung. Wenn dann ein Charakter Samstagnacht zu Haft oder Verbannung verurteilt wird, entsteht dem Spieler kaum mehr nennenswerter Schaden durch einen Charakterwechsel.
  • Die dunkle Seite: Wenn ein Held zu Ende gespielt ist und der Spieler nicht möchte, dass sich dieser unbedingt zur Ruhe setzt oder einen epischen Tod stirbt, ist es durchaus in seltenen Fällen mal denkbar, dass er an die dunkle Seite der Macht fällt. Das ist nicht immer cool, vor allem wenn es zu oft passiert, aber kann für einen stark mit der Welt verknüpften Charakter schon mal eine schöne Geschichte heraufbeschwören, vor allem wenn es die befreundeten Charaktere nicht darauf beruhen lassen und der Sache weiterhin nachgehen.

 

Mein Char ist raus - wie geht es weiter?:

  • Die Spielleitung als Helfer: Wenn ein SC aus einem der oben genannten Gründe aus dem Spiel genommen wird, wird ihm eine verantwortlich handelnde Spielleitung helfend zur Seite stehen. Am besten ist es, die SL schon vorher einzuweihen (z. B. wenn du bemerkst, dass das Eis für deinen Charakter zu dünn wird und du das Weite suchen musst), dann hat sie Zeit, sich etwas Interessantes auszudenken oder spielfördernde Lösungen zu ersinnen.
  • Und was ziehe ich nun an? Gewandungen lassen sich kombinieren, Fundusstücke ausleihen und deine Mitspieler werden dir sicherlich irgendwie aushelfen können, sodass man schon eine vorzeigbare Gewandung zusammen bringt.
  • Und was spiele ich jetzt? Neue Rollen und Aufgaben lassen sich in Zusammenarbeit mit der SL sicherlich finden. Es kann sich anbieten, erst einmal eine Weile in eine klar erkennbare NSC-Rolle zu schlüpfen, um die Verwechslungsgefahr zu verringern (schlechtes Beispiel: „Da ist der Getürmte!“ – „Ähm, nein. Sorry. Andere Rolle!“) Dann, in aller Ruhe, wird man im konstruktiven Dialog sicher eine Lösung organisieren können. 
  • Toplösung: Bring eine 2. Rolle mit zum Con: Wenn du eine Rolle spielst, in der es durchaus passieren kann, dass du aus irgendeinem Grund abhauen musst (z. B. bei Verbrecherkonzepten, die bereits mit hohem Risiko in das Spiel starten), dann bring die Gewandung für einen anderen Charakter schon mal vorsorglich mit. Sie liegt im Auto gut und du hast einen Plan B, falls sich deine Risikobereitschaft in diesem Fall einmal nicht auszahlt. 

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